Literatur: Gedanken, Geschichten, Romane

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Led Zeppelin / Stairway to Heaven

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Der Debütant_Fortsetzung 4


10


In der Zwischenzeit stand Weihnachten vor der Tür, das Fest der Liebe! Philippe rang nach wie vor damit, wie er sich in der ganzen Angelegenheit verhalten sollte. Auch war ihm unwohl dabei, dass er bereits schon so viel wusste. Das war nie gut. Weniger oder nichts zu wissen, liess einem zumeist besser schlafen.

Schliesslich besprach er das Ganze nochmals mit Deborah. Diese hielt dafür, dass er besser die Finger davonlassen und sich seinem Rentendasein widmen sollte, im Wissen darum, dass dies nur leere Worthülsen waren. Sie kannte ihren Mann nur allzu gut, als dass dieser, hatte er einmal Lunte gerochen, der Sache nicht auf den Grund gehen wollte. Und so war es auch hier.


Philippe liess Frau Vögtli über ihren Mittelsmann per E-Mail ausrichten, dass er unter den folgenden Voraussetzungen bereit sei, den Auftrag anzunehmen:


  1. Er wolle einen konkreten, schriftlichen Auftrag vom Bund, welcher ihn ermächtige, tätig zu werden. Wer diesen unterzeichne sei ihm egal.


  1. Er verstehe seine Tätigkeit im Auftrag der Aufsichtskommission des Bundes, wo es darum gehe, die Abläufe im EJPD, namentlich im Bundesamt der Polizei, dem SEM und in der Bundesanwaltschaft aber auch in einzelnen Polizeikorps zu überprüfen, mit dem Zweck Doppelspurigkeit zu vermeiden.


  1. Er wünsche verbindliche Ansprechpersonen in diesen Diensten, zudem eine den Umständen entsprechend möglichst offene Kommunikation diesen gegenüber und ein fixes Büro bei fedpol. – Anmerkung: Dies sollte wohl möglich sein in ihrem Neubau am Guisanplatz in Bern.


  1. Schliesslich erhoffe er sich auch eine der Brisanz des Falles entsprechende Honorierung, sei er doch als Rentner einem Zustupf nicht abgeneigt.


  1. Und last but not least sei das Honorar unabhängig vom Ergebnis seiner Abklärungen geschuldet.


Weihnachten war für Philippe immer etwas Besonderes. Man kam in der Familie zusammen und genoss die gemeinsame Zeit. Schon als Kind hatte er diesen Moment in sich aufgesogen, und er wollte Gleiches auch seinen Kindern schenken. Es kam nicht auf die Geschenke an, es kam darauf an, wie man sich gab und wie man miteinander umging. Das Fest der Liebe war für ihn wichtiger als Ostern oder Pfingsten, obschon in der Bibel etwas anderes steht. Die Geburt Jesu verstand er als Auferstehung und dies gleichsam der Geburt eines jeden Kindes.

Die wärmenden Lichter erfüllten sein Herz, und er liebe es, am Abend durch die Stadt zu laufen, um eben diese Lichter einzufangen. Das Ganze hatte für ihn etwas Mystisches, etwas Verborgenes und dieses galt es zu erforschen. – Eben ähnlich der Frage, auf die er noch keine Antwort hatte. Philippe war neugierig, wissbegierig und hungrig nach Antworten. Er stellte sich trotzig der Unwissenheit und verzweifelte manchmal schier ob seiner Unfähigkeit, Dinge nicht oder nicht richtig zu erkennen. Er wollte alles und noch viel mehr wissen, im Wissen darum, dass dies unmöglich war. Und trotzdem hatte er den inneren Antrieb, Sachen auf den Grund zu gehen. – So auch im Fall Nummer 101.


11


Langsam kehrte der Alltag wieder bei Baumanns ein. Auch Enrico hatte sich wohl oder übel damit abgefunden, dass sein ‘Bruder’ nicht mehr da war. Er fehlte ihm zwar nach wie vor, aber er musste nicht mehr dauernd an ihn denken. Gleich erging es Philippe und Deborah. Ihr ‘Bube’ fehlte ihnen zwar nach wie vor sehr, aber auch sie mussten glücklicherweise nicht mehr dauernd an ihn denken. Die Zeit scheint tatsächlich Wunden zu heilen, aber Narben bleiben zurück. - So auch hier!

Pablo war so ein lieber Hund. Seine ruhige Art und Weise vermittelte nur Wohlbehagen, und wenn man einmal nicht gut drauf war, half einem Pablo dies zu vergessen oder zumindest zu überbrücken. Auch Marvin oder Rouven hatten ihm so manches Geheimnis anvertraut, von denen die Eltern keine Ahnung hatten. Pablo war ein guter Zuhörer und ein noch besserer Berater. – So stimmte es halt schon, was Franz Kafka bereits 1922 in seinem Buch, Forschungen eines Hundes, ausführte:  Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und alle Antworten sind im Hund enthalten.

Philippe sah dies gleich und konnte sich ein Leben ohne Hund, ohne einen treuen Begleiter kaum vorstellen. Umso glücklicher war er, dass er Enrico an seiner Seite wusste. Gleich ging es Deborah. Auch sie hatte Enrico ins Herz geschlossen, ebenso wie Philippe.

Weihnachten kam mit Riesenschritten auf sie zu, und es galt doch noch das eine oder andere vorzubereiten und zu erledigen. Der Weihnachtsbaum wollte geschmückt werden, der Kühlschrank gefüllt und das Haus noch einmal von unten nach oben oder umgekehrt gesäubert werden. Schliesslich kamen die Söhne mit ihren Freundinnen und da wollte man eben einen guten Eindruck machen.

In all den Vorbereitungen klingelte das Handy von Philippe, und er erkannte auf dem Display die Nummer von Bernard. «Salut Bernard, comment vas-tu?» «Trés bien et à toi?» «Auch sehr gut, danke.» «Hör mal Philippe, Isabelle und ich hatten eine Idee. Nachdem unser Treffen so kurz war, würden wir euch liebend gern wiedersehen, vielleicht zu Neujahr. Was hältst du davon?» «Sehr viel, lieber Bernard, aber nicht bei euch, sondern bei uns, wenn es euch recht wäre! Ihr seid herzlich willkommen, und Deborah würde sich sehr über euren Besuch freuen. Was meinst Du?» - Deborah nickte zustimmend im Hintergrund und konnte Philippe nur unterstützen. Es würde sie ehrlich freuen, die beiden bald wieder einmal zu sehen.

«Ok, das ist auch eine sehr gute Idee. Isabelle hat auch freudig zugestimmt, womit wir uns, wenn es für euch stimmt, am 31. Dezember treffen werden. Ist das für euch so in Ordnung?» «Mehr als in Ordnung. Das sind ja nur noch 10 Tage. Ich freue mich schon jetzt. In diesem Fall à bientôt et bonne fête de Noël.» «Adieu, mon cher, à bientôt, tout bon et aussi une bonne Fête de Noël à tous et toutes.»

Das war nun wirklich eine freudige Überraschung, und Philippe und Deborah waren sich einig, dass der Jahreswechsel mit Sicherheit schön sein werde. Sie alle verstehen sich wirklich gut und da gibt es immer ganz viel zu erzählen. Philippe fügte noch hinzu, dass Dissan ebenfalls dabei sein werde, aber auch das werde kein Problem sein, so wie sie Enrico kennten.



Die Zeit verging wie im Flug, das Weihnachtsfest war bereits vorbei und es war wie immer wunderschön, aber viel zu kurz. Die Söhne und ihre Freundinnen mussten bereits wieder zur Arbeit gehen, und nur Philippe und Deborah konnten wie bisher ihren Alltag so gestalten wie sie ihn wollten.

In der Zwischenzeit meldete sich Freddy Würgler bei Philippe und er ersuchte ihn um ein Treffen. Er wisse ja, um was es gehe und er schlage ihm das Restaurant ‘Lorenzini’, im hinteren Teil, an der Hotelgasse in Bern vor. Wenn es ihm recht sei, so werde er morgen so gegen 1000 Uhr dort sein. Philippe bestätigte den Termin und er war ein wenig überrascht, wie kurzangebunden Fred war.

Freddy war ein wenig verschnupft, wurde er doch vom EDA zum Briefträger oder Handlanger degradiert. Dies hat man nun davon, wenn man allzu leutselig Bekannten unter die Arme greift und ihnen einen Gefallen erweisen will, dachte er. So auch hier: Gibt man den kleinen Finger, so wird bald einmal die ganze Hand genommen.

«Ciao Freddy, wie geht es dir?», erkundigte sich Philippe. «Na ja, so lala», gab im Fred zur Antwort. Er sei nicht nur glücklich über seine Rolle in dieser Sache, sondern mache sich auch ernsthaft Sorgen um Philippe, ob das Ganze nicht eine Spur zu gross für ihn sei. Er wisse ja, dass er ihn gut möge und schätze und deshalb seine Befürchtungen. In seiner beruflichen Tätigkeit als Journalist und vor allem während seiner Zeit als Korrespondent im Nahen Osten habe er zu oft mit angesehen oder zumindest mitbekommen, wie kriminelle Kreise im Balkan operieren würden. Urplötzlich würden Bekannte von der Oberfläche verschwinden und niemand wisse, wo sie steckten oder was mit ihnen passiert sei. Er hoffe nur, dass Gleiches nicht auch mit ihm geschehen werde.

«Ja, das hoffe ich natürlich auch, Fred. Aber ich denke, die Erfüllung meines Auftrages wird kaum so dramatisch sein. Auch denke ich, dass ich jederzeit, sollten meine Ermittlungen aus dem Ruder laufen, mein Mandat niederlegen kann. So verstehe ich zumindest meinen Auftrag.»

«Dein Wort in Gottes Ohren, lieber Philippe. Ich werde Dir auf jeden Fall zur Seite stehen, so gut es geht» … und er händigte ihm das nachfolgende Schreiben aus:


An das Justiz- und Polizeidepartement

An das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

An die Bundesanwaltschaft und

An die Polizeikorps der grossen Kantone


Herr Philippe Baumann, pensionierter Kriminalpolizist, wird hiermit im Namen des Bundesrates und der Aufsichtskommission des Bundes ermächtigt, folgende Handlungen auszuüben:


  1. Überprüfung der Organisationsstruktur jedes Dienstes, mit dem Zweck die vorhandenen Personalressourcen und die Abläufe zu optimieren.


und


  1. Überprüfung der Schnittstellen untereinander, mit dem Zweck Doppelspurigkeit zu vermeiden und gegeben falls Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.


Es ergeht hiermit der Auftrag an alle Betroffenen, Herrn Baumann in seiner Aufgabe zu unterstützen.


Freundliche Grüsse


Im Namen des Bundesrates



Der Auftrag war zeitlich unbefristet und dies freute Philippe natürlich, da er dadurch nicht unnötig unter Druck gesetzt wurde und er auf diese Weise doch ein ansehnliches Sümmchen verdienen konnte. Der Stunden- respektive Tagesansatz, welcher ihm mit separatem Schreiben geboten wurde, war zwar nicht umwerfend, aber auch nicht abzulehnen. Das obige Schreiben war zudem mit einem Stempel versehen, der dem Ganzen einen gewissen seriösen Anstrich gab, wenngleich es ja nicht allzu schwer war, solches zu fälschen. Immerhin hatte das Papier eine gewisse Stärke, was ebenfalls auf einen offiziellen Charakter schliessen liess.

«Ja, das sieht ja mal nicht so schlecht aus. Ich werde dann also anfangs des neuen Jahres tätig werden und dich regelmässig auf dem Laufenden halten. Wollen wir als Treffpunkt das ‘Lorenzini’ beibehalten oder hast du einen besseren Vorschlag.» «Nein, das ist für mich so in Ordnung; pass nur gut auf dich auf. Dann warte ich also, bis du dich wieder meldest.» - «Genau. In der Zwischenzeit wünsche ich dir schöne Festtage und bereits jetzt einen guten Rutsch ins neue Jahr.» «Das wünsche ich dir auch.» Womit das Treffen beendet war.


12


Punkt vier Uhr nachmittags klingelte die Glocke, und Bernard und Isabelle standen mitsamt ihrem Hund Dissan vor der Tür. Enrico war kaum zu bremsen und kam mit seiner Begrüssung Philippe und Deborah zuvor. Sie seien gut gereist, und es habe erstaunlich wenig Verkehr gehabt.

Nach einem herzlichen ‘bienvenue’, und nachdem sich Bernard und Isabelle ein wenig frisch gemacht hatten, begaben sich alle ins Wohnzimmer. Dissan und Enrico mussten vorher natürlich noch den Garten ein wenig unsicher machen und selbstverständlich die eine oder andere Schnauze voll Schnee fressen. Für Dissan war es das erste Mal, dass er Schnee sah und somit das Ganze völlig neu. Enrico schien ihm jedoch schnell zu erklären, was man mit Schnee so alles machen kann.

Es gab viel zu erzählen, und die Zeit verging wie im Flug. Schliesslich stellte sich aber doch der Hunger ein, und Philippe präsentiere den beiden die Menükarte mitsamt einem Rezeptvorschlag:


‘Chinesisch’ à la mode du chef


Zutaten für 4 Personen


200 – 300 g Rindfleisch in feine Scheiben geschnitten

250 g rohe, geschälte Crevetten

1 kg frisches Gemüse (Spargeln, Kohlrabi, Rübli …) in mundgerechte Stücke schneiden

4 Portionen chinesische Nudeln


Marinade für das Rindfleisch (ca. 20 Min. marinieren)


1 Knoblauchzehe fein gehackt

1 Scheibe Ingwer fein gehackt

1 Essl. dunkle Sojasauce

1 Essl. Wein

1 Essl. Öl (Erdnussöl)

½ Teel. Maispuder

½ Teel. Salz

1 Prise Zucker

1 Prise chinesischer Pfeffer


Marinade für die Crevetten (ca. 20 Min. marinieren)


1 Teel. Maispuder

2 Essl. Sherry

½ Teel. Salz


Würzmischung (in einer kleinen Schüssel vermischen)


½ Tasse Wasser

½ Teel. Maispuder

½ Teel. Zucker

3 Essl. Austernsauce

Zubereitung


- Nudeln in siedendem Wasser garkochen – anschliessend mit kaltem Wasser abschrecken und beiseitestellen

- etwas Öl (Erdnussöl) und etwas Salz in den Wok geben

- das Rindfleisch unter ständigem Rühren anbraten, bis es Farbe annimmt, aber noch teilweise roh ist – anschliessend sofort vom Feuer nehmen und beiseitestellen

- die Pfanne reinigen und für die Crevetten gleich vorgehen

- die Pfanne nochmals reinigen und wiederum etwas Öl und Salz in den Wok geben; anschliessend das frische Gemüse beigeben und ca. 1 Minute lang rühren – die Würzmischung dazu geben und weiterrühren

- wenn das Gemüse gar, aber immer noch etwas knackig ist, das Fleisch und die Crevetten beigeben – gut verrühren

- abschliessend die Nudel dazu fügen und alles gut vermischen


et voilà … bon appétit


Als Wein sollte eine Flasche Bergerac Rouge, Clos des Verdots, aus dem Jahr 2015 herhalten, dies in Anlehnung an die Zeit von Bernard und Isabelle in Bordeaux und in Anspielung an ihren «gemeinsamen Freund» Bruno, ‘Chef de Police’. - Deborah und Isabelle wünschten zum Essen lieber Tee und Wasser.

Das Essen mundete vorzüglich und wurde – comme il faut – mit Stäbchen aus Reisschalen gegessen. Lediglich der Salat wurde auf einem separaten Teller serviert und «durfte» auch mit einer Gabel verspeist werden. Das Menü aus dem Wok erlaubte es, immer wieder eine Pause einzuschalten, um alsdann das Gericht von Neuem warm geniessen zu können.

So sassen die Vier sicher fast zwei Stunden am Tisch und staunten, als es bereits 2300 Uhr war. Eigentlich wollten sie noch auf den Münsterplatz in Bern gehen, um das Glockenspiel zum Jahreswechsel zu hören, jedoch war es dafür doch schon etwas spät, und Bernard und Isabelle waren ob der langen Reise auch recht müde, so dass alle bereits kurz nach Mitternacht ins Bett gingen; natürlich nicht, bevor sie sich vorgängig alles Gute zum neuen Jahr gewünscht hatten und sich mit ihren Kindern in gleicher Weise austauschten.

Am nächsten Morgen, in der Nacht hatte es erneut leicht geschneit, sah die Natur aus, wie auf einer Neujahrskarte. Strahlender Sonnenschein, dazu ein wenig Neuschnee und die Kälte passte. Bernard und Philippe konnten es kaum erwarten, mit ihren Hunden auf einen Säuberungsspaziergang zu gehen. Es gab kaum etwas Schöneres, denn als Erster seine Spuren im Schnee zu ziehen und den eigenen Schuhabdrücken nachzublicken. Und so war es an diesem Morgen. Noch vor dem Frühstück atmeten Philippe und Bernard die frische, saubere Luft ein und genossen ihren Rundgang.

Den Neujahrstag verbrachten sie mit einem gemütlichen Schwatz, hinterlegt mit seichter Musik aus dem Radio und begleitet von einem Tariquet Classic 2013 aus der Gascogne. Dies ebenfalls in Anlehnung an die Zeit von Isabelle und Bernard in der Aquitaine. Philippe schmeckte der Wein zwar nicht sonderlich, er bevorzugte den Schweizer Weisswein und dort vorweg einen Saint-Saphorin aus Chexbres, dem kleinen, lieblichen Winzerdorf am Genfersee; aber eben, Geschmäcker sind verschieden und so soll es auch sein. Vielleicht wollten sie später noch eine solche Flasche öffnen und degustieren. Man musste Bernard ja schliesslich auf den Geschmack bringen.


Plötzlich wurde das Thema auf den in Tirana verhafteten Polizeichef gelenkt und Bernard wusste folgendes zu berichten:

Gérard, der ehemalige Journalist beim Var-martin habe ihm erzählt, dass seinen Informationen zufolge, der Polizeichef mit Drogen im grossen Stil handeln soll. Er sitze nun nach offiziellen Quellen in einem Polizeigefängnis etwas ausserhalb von Tirana und dürfe keinen Besuch empfangen. Das Ganze sei ‘top-secret’. Diese Information habe er von einem befreundeten Journalisten aus Ankara erhalten und dieser wiederum habe die Information von einem Freund aus Tirana.

Nun aber werde es richtig interessant. Von einer anderen Quelle habe er jedoch erfahren, dass das Ganze ganz und gar nicht stimme. Der Polizeichef werde nicht zurückbehalten, und es werde ihm auch der Kontakt zur Aussenwelt nicht verwehrt. Er halte sich auch nicht in einem Gefängnis auf, sondern in der Sommerresidenz des neugewählten Ministers, wo er jeglichen erdenklichen Luxus sich leisten könne. Die Residenz befinde sich direkt am Meer und verfüge über einen eigenen Hafen, wo regelmässig Schnellboote anlegten. Mit diesen Schiffen würden Fässer mit Olivenöl in einen Vorort nördlich von Brindisi verbracht. Vom Flughafen Brindisi, dem Aeroporto del Salento, würden die Fässer dann mittels Privatflieger nach Bern-Belp in der Schweiz und von dort weiter in ein dubioses Geschäft in der Stadt Bern gebracht. Speziell sei nicht nur der Weg, wer benütze schon den Privatflieger für den Transport für Olivenöl, sondern auch der Umstand, dass mit Olivenöl nun doch wieder nicht so viel Geld gemacht werden kann, damit sich das Ganze lohnen würde.

«Wow, das tönt wirklich interessant», und Philippe erzählte nun Bernard seine Geschichte, so wie sie ihm bislang präsentiert wurde. - Die beiden Frauen, Isabelle und Deborah, hörten gespannt zu.

Tatsächlich gab es einige Parallelen, aber auch Unterschiede in den Darstellungen. Auch wäre die Rolle des neugewählten Ministers völlig neu, würde sie denn den Tatsachen entsprechen. Ebenfalls wurde bislang nicht erwähnt, dass in den Eichenfässern vermutlich Heroin geschmuggelt werde. Auch von Menschenschmuggel oder gar Menschenhandel wusste die Quelle von Gérard nichts zu berichten. – Gut, er wurde auch nicht danach gefragt.

Und trotzdem war erstaunlich, selbstverständlich nur dann, wenn die Informationen tatsächlich stimmten, dass der oder die Informanten von Gérard mehr wussten als die involvierten Nachrichtendienste. Gut, vielleicht hatten diese oder Frau Vögtli ihm auch nicht alles erzählt. Auf jeden Fall galt es die Informationen in die weiteren Überlegungen miteinzubeziehen. Ein altes Sprichwort lautet ja bekanntlich: Wo Rauch ist, ist auch Feuer.


Nun wollten die Anwesenden sich doch lieber wieder der leichteren Kost zuwenden, und Philippe schlug vor, das Abendessen vorzubereiten. Natürlich waren alle damit einverstanden. Philippe hatte vorgesehen, einen Fisch zu servieren. Er entschied sich beim Einkauf für Rotzungenfilet und zwar nicht nur, weil sie besonders gut schmeckten, sondern auch noch einigermassen bezahlbar waren. Seezungenfilet hatte er zwar noch lieber, diese sprengten jedoch sein Rentengeld und somit gab es eben Rotzunge, immerhin Wildfang aus dem Atlantik. Dazu sollte es Reis und Salat geben. Philippe war bekannt für seine Salatsauce und die Gäste rühmten diese zumeist.

Philippe war sowieso erstaunt, dass er in Frankreich noch nie eine wirklich gute «französische Salatsosse» gegessen hatte, obschon in der Schweiz dieser Begriff auch verwendet wurde.

Seine Sauce bestand aus drei Teilen Sonnenblumenöl, einem Teil Weinessig, Aromat (!) und Pfeffer, Mayonnaise und Senf, gut proportioniert, und einen Schuss Halbrahm; als vegane Alternative kann auch Soja verwendet werden. Das Ganze wird dann mit einem kleinen Schwingbesen verrührt und mit frischen Zwiebeln, Radieschen und Tomaten und allenfalls mit frischen Kräutern wie beispielsweise Schnittlauch verfeinert. Letztlich kommt es aber darauf an, dass der Salat frisch ist und nicht in geschnittener und in Plastik abgepackter Form daherkommt. Bei Philippe sträubten sich jedes Mal die Nackenhaare, wenn er einen Plastiksack Fertigsalat mit elend langem Verbrauchsdatum öffnete. Der Geschmack war einfach nur widerlich. 


Das Abendessen war köstlich, und Philippe und Bernard gönnten sich nach dem Essen noch einen Digestif. Dieses Mal sollte es ein Marolo, Grappa di Barolo, 12-jährig sein. Bernsteinfarben leuchtend im Glas, mit einem leichten Duft nach Zwetschen und Zitrusfrüchten, geschmeidig und elegant, erfreute dieser Grappa die beiden. – Deborah und Isabelle zogen abermals einen Tee vor, dieses Mal einen Bio-Früchtetee mit Zichorie und Lindenblüten, welcher unter dem Namen Lemon Sorbet von Special.T angeboten wird.

Leider neigte sich der Besuch von Bernard und Isabelle schon bald dem Ende zu. Morgen Vormittag wollten sie zurückfahren, da die Mutter von Isabelle, Fabienne Bertrand, ihren 80-igsten Geburtstag feiern wollte. Es werde sicherlich ein schönes Fest, auch wenn ihr Mann Paul, der Vater von Isabelle, nicht mehr dabei sein könne. Paul sei vor gut einem Jahr verstorben, jedoch habe sich Fabienne einigermassen gefasst und sie freue sich nun auf das Fest, an welchem auch Désirée, die Schwester von Isabelle mit ihrem Mann, und die beiden Töchter von Bernard und Isabelle, Michelle und Danielle, teilnehmen werden.

Nach einem nochmaligen kurzen Umtrunk begaben sich alle zu Bett. Vorgängig durften Enrico und Dissan nochmals kurz in den Garten, und sie liessen es sich nicht nehmen, den Schnee noch einmal mit allen Sinnen zu geniessen.

Der Abschied am nächsten Morgen fiel kurz aus, und es wurde vereinbart, sich bald wieder zu treffen, es gelte schliesslich, auch in die Zukunft zu blicken, was das denn auch immer heissen mochte. Ein letztes Händeschütteln und ein letztes Winken und fort waren sie. Enrico schaute dem Fahrzeug traurig hinterher, sass darin doch sein neu gewonnener Freund und nun war dieser schon wieder weg. Philippe und Isabelle mussten Enrico richtiggehend trösten, und nur ein Goodie konnte hier Abhilfe schaffen. Nach dem zweiten Leckerchen legte sich Enrico noch ein wenig in seinem Korb nieder und er träumte wahrscheinlich von seinem neuen Freund.

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